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Denn das Leben wandert durch alle Hüllen und Formen hindurch, höher, höher!


 

Nur wer durch den Tod gegangen ist, kann die Auferstehung feiern. Es gibt der Tode viele, es gibt seelischen und körperlichen Tod, und immer wird das Losreißen, das Sich-Trennen oder Getrennt­werden von Gewohntem und Geliebtem ein Vorgang sein, der dem Tod des Körpers gleicht. Es bleiben leere Formen, leere Hüllen zurück, die man einst mit Leben, mit Empfindungen, vielleicht mit Leiden­schaft erfüllte. Und allen in der Materie gefangenen Wesen ist das eine gemeinsam: die Angst vor die­sem Sterben, vor dieser Verwandlung, und der Wunsch festzuhalten, zu bewahren.

Ihr baut an eurem Körper, wenn euch der Ruf zur Wiedergeburt aus der Höhe in die irdische Welt zu­rückreißt. Das ist Gesetz. Aber Gesetz ist auch, daß der Rückruf ins Licht zur Befreiung euch erwecken soll. Dazu bedarf es der Entwicklung. Ihr hüllt und spinnt euch immer tiefer ein, statt euch an dem gol­de­nen Faden, der euch aus der Höhe gegeben ist, wieder emporzuranken. Und so ist es Gnade, daß der Tod in so vielen Formen an eurem Wege steht; ihr würdet sonst endlos im Kreise gehen und verfes­tigen, was ihr auflösen sollt. Denn das Leben wandert durch alle Hüllen und Formen hindurch, höher, höher!

So sei euer Herz denn froh, so oft es hergeben muß, was es besaß, und frage: Was wartet mein? Was er­füllt meine Leere mit neuem, herrlicherem Glanz? Denn nur um Reicheres zu fassen wurde eurem Her­zen genommen, woran es hing; um auferstehen zu können, mußtet ihr durch des Todes dunkles Tor schreiten. Wollt ihr zum Licht? Dann bleibt nicht stehen am Wege, dann baut keine Festung um euch, dann eilt, daß die Fülle, die der Eine euch verhieß, der euch vorgelebt und Tod und Auferstehen gezeigt hat, auch die eure werde! 1)

 

 

*

 

 

 

Die Sehnsucht ist der Schlüssel, der dich finden läßt

 

 

Du möchtest wirklich finden, Kind? Dann mach’ dich auf

und gehe suchend Schritt für Schritt auf deinem Weg.

Und du wirst finden! Denn die Spur, die Ich dir leg’,

führt dich zurück zu Mir. Du wartest noch? Worauf?

 

Die Suche scheint nicht leicht, oft voller Müh’ und Last?

Wie willst du finden, wenn du zweifelnd stille stehst?

Wenn du, statt Mich zu suchen, deine Wege gehst,

für die du freien Willens dich entschieden hast?

 

Ich sprach, daß jeder, der Mich sucht, Mich finden wird.

So kann kein Zweifel daran sein, daß dies geschieht,

und daß Mein Herz auch dich und jeden an sich zieht,

der liebt und voller Sehnsucht sich an Mich verliert.

 

Die Sehnsucht ist der Schlüssel, der dich finden läßt,

und Ich Bin es in dir, der dein Bemühen trägt.

Ich Bin es, der sich stark und tröstend in dir regt,

und wenn du schwankend wirst, dann halte Ich dich fest.

 

Du willst Mich finden, Kind? Dann komm und tu den Schritt,

laß deiner Sehnsucht freien Lauf und zög’re nicht

und finde so zu dir und Mir zurück – ins Licht.

Und sei, was auch geschieht, gewiß: Ich gehe mit! 2)

 

 

 

*

 

 

 

Und wieder sandt‘ ich suchend meine Seele

 

 

Und wieder sandt‘ ich suchend meine Seele,

die sehnsuchtsheiße, auf die Wanderschaft,

daß sie nach lautem Tag hinweg sich stehle,

sich löse aus des Körpers Kerkerhaft

und sich dem grenzenlosen All vermähle.

 

Es spann die Nacht des Schlummers weiche Schleier,

darin geborgen ruht, was erdhaft ist,

doch wache Seelen macht der Schlummer freier,

er weitet unsrer Nächte karge Frist

zur zeitentrückten Auferstehungsfeier.

 

Endlosen Zuges sah ich Seelen schweben,

wie Nebel über Abendwiesen zieht,

und Wissen um ihr Wollen, Hoffen, Streben,

um ihr Geheimnis, das der Blick verriet,

und Mitfühl‘n ihrer Not ward mir gegeben.

 

Ich sah der Hände rührende Gebärde –

sie brannten Fackeln an am Sehnsuchtsziel,

doch oft begab es sich im Drang der Erde,

daß ihnen ihrer Sehnsucht Licht entfiel,

dann gab‘s ein wärmend Feuer nur im Herde.

 

Doch jenen, die um einen Herd sich scharen,

ist schon ein kleines Feuer Licht genug,

um seiner Wärme Tröstung zu erfahren;

denn jeglichen trägt seiner Sehnsucht Flug

ein Stückchen weiter auf dem Weg zum Wahren.

 

Da wußte ich: Die Sehnsucht ist die Kette,

an der uns Gott in seinen Himmel hebt.

Es blieb‘ an seinem Platz, wer sie nicht hätte,

doch andre reißt mit sich, wer weiter strebt

von Ziel zu Ziel zu Gottes heilger Stätte. 3)

 

 

 

 

 

1) aus: Hella Zahrada „Ephides“

2) aus: Hans Dienstknecht „Verlasse dich auf deines Herzens leisen Klang“

3) aus: Hella Zahrada „Ephides“