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Der babylonische Einfluß in der Partnerschaft und die Befreiung davon

von Franz Falmbigl


Am schmerzlichsten ist die Erkenntnis, daß man gerade jenen Men­schen am tiefsten verletzen muß, den man am meisten liebt, nämlich den Liebes- bzw. Ehepartner. Ist er doch der Allernächste in all den Beziehungen zu anderen Menschen. Obwohl man ihm im Grunde des Herzens nicht weh tun will, geschieht dies aber doch, und zwar aus der Macht des ungeläuterten Unterbewußtseins heraus, wenn es noch von den ichsüchtigen Trieben und den verdrängten seelischen Verletzungen beherrscht und gesteuert wird. Dann überrollen diese Fremdenergien erfahrungsgemäß immer wieder den eigenen Willen und beleidigen und verletzen das Leben des geliebten Menschen und damit letztlich auch das eigene.

Dabei war es in der ersten Zeit so unbeschreiblich schön, als die Liebe voll entflammt war. Alles war so überirdisch, so abgehoben, so wohltuend und im höchsten Sinne berauschend. Da war die Liebe zueinander voll entbrannt, und man schwebte in unglaublich feinen und hohen Sphären und konnte ihre Reinheit im anderen und in sich selbst eindringlich erkennen und fühlen.

Die alles erwärmenden Liebesflammen, die sich durch die polare Anziehung entzündet hatten, erregten einen auf allen Lebensebenen derart intensiv, daß man sich im „siebenten Himmel" wähnte. Man war eingetaucht in die tiefen Schichten des inneren Seins und damit in den Ur-Funken der ewigen Liebe selbst. Der Schein der materiellen Welt mit seinen Störungen und Unstimmigkeiten wurde nicht mehr wahrgenommen. Alle selbstsüchtigen Eigenschaften und seelischen Wunden des altgewohnten Egos waren wie weggewischt, und man erlebte sich gegenseitig völlig fehlerlos und makellos. Materielle Zeit und materieller Raum waren wie aufgelöst, und der sonst schwere Erdenkörper war kaum noch zu spüren. Man war ein Herz und eine Seele und miteinander so innig verschmolzen, daß man keine Worte mehr brauchte, um den anderen zu verstehen. Einer erfühlte und erkannte den anderen in seinem innersten Wesen und erlebte dessen Schönheit und dessen tiefe Liebe aus dem eigenen individuellen Ur-Sein heraus.

Viele werden diese visionäre Zeit des so genannten „Honigmondes" erlebt haben und sich an diesen zutiefst realen Zustand erinnern können. Wenn es auch so manchem danach nur mehr wie ein schöner Traum in Erinnerung geblieben ist, so befand man sich doch eine Zeit lang in der Sphäre der wahren, göttlichen Liebe.

Aus den göttlichen Offenbarungen geht hervor, daß Gott uns aus Seiner Gnade diesen hohen Seins-Zustand für einige Zeit schenkt, und zwar deshalb, um uns erleben zu lassen, was wahre Liebe wirklich ist. Liebe, wie Er sie meint. Wenn dann Gott so nach und nach diesen Gnadenhauch von den Liebenden wieder zurückzieht, so geschieht das nur deshalb ‒ wie Er selbst sagt ‒, damit die Partner diese herrliche Liebe im Laufe ihres irdischen Lebens gemeinsam selbst erringen sollen, damit sie zum festen und unversiegbaren Eigentum ihrer Seelen wird und ihnen durch keine babylonisch-satanische Macht mehr genommen werden kann.

Ist dann aber die göttliche Berührung verflogen, kehrt der seelische Alltag mit all seinen alten, ichsüchtigen Tendenzen und Schwierigkeiten wieder ein. Wenn auch der göttliche Zustand bei einem länger, beim anderen weniger lang dauert, so ist es aber doch sicher, daß nach dessen Abklingen das alte Ego wie eine Schlange wieder hervorkriecht und sich breitmacht in den Seelen der Liebenden. Die alteingesessenen, schlechten seelischen Triebe und alten Verletzungen drängen wieder hoch aus der Versenkung und stören die Liebe und verunsichern sie, wo sie nur können, wodurch Mißverständnisse und Mißhelligkeiten entstehen. Die alte Scheinwelt beginnt sozusagen wieder zu flimmern und versucht einem zu suggerieren, daß der erlebte hohe Seinszustand nicht real, sondern nur Einbildung war. Die Egos ergreifen wieder voll Besitz von den Seelen und bestimmen aus den alten Zwängen heraus das gegenseitige Verhalten. Man merkt oft mit Entsetzen, wie wenig man dagegen ausrichten kann.

Wenn sich dieser Zustand einmal eingestellt hat, so ist es höchste Zeit, dagegen etwas zu tun. Man sollte gemeinsam darüber nachdenken, wie man mit diesen noch lieblos seienden Kräften umgehen soll, damit man sich nicht gegenseitig wieder und wieder verletzen muß. Hat man sich im besseren Fall darauf geeinigt, die noch ichsüchtigen Eigenschaften mutig jeweils erkennen, anzuschauen und verändern zu wollen, dann wurde schon ein wichtiger erster Schritt zur Erhaltung der gegenseitigen Liebe gemacht. Als Orientierung für die Überwindungsarbeit sollte als Maßstab und visionäres Ziel die erlebte himmlische Liebe der ersten Zeit eingesetzt werden. Sie sollte immer dann ins Bewußtsein gerufen werden, wenn auf dem Weg des gemeinsamen Werdens seelische Spannungen auftauchen, die das Zusammenleben trüben und schwermachen.

Tut man hingegen nichts gegen das alte Ego ‒ wie es leider zumeist der Fall ist ‒, so kommt es mit Sicherheit in Bälde dazu, daß einer dem anderen für die entstandenen Lieblosigkeiten die Schuld gibt und keiner von beiden gewillt ist, vor der eigenen Türe zu kehren. Und ehe sie sich's versehen, flammt der Machtkampf auf und einer glaubt vom anderen, daß er sich in ihm getäuscht habe. Und hat dann der Machtkampf einmal beide Partner voll ergriffen, so wird die anfängliche schöne Liebe bis zur Unkenntlichkeit entstellt und Trennungstendenzen kommen hoch.

Doch auch bei jenen, die sich für eine gemeinsame Überwinderarbeit entschlossen haben, werden immer wieder die ungeläuterten Energien aufeinander prallen und neue und immer stärkere Spannungen erzeugen; Spannungen, die gelöst werden wollen. Die ichsüchtigen Triebe des Stolzes, des Zornes, der Eifersucht, der Vergeltung, der Überheblichkeit usw. gehen aufeinander los, und Zank, Verachtung, Erniedrigung und Entwertung sind die Folge davon. Und immer öfter ist es der Fall, daß man sich in einer spannungsgeladenen Situation ganz fremd gegenübersteht, und einer den anderen nicht mehr erkennen und verstehen kann. Da bedarf es schon einer konsequenten seelischen Arbeit, um die Krisen immer wieder lösen zu können.

Es ist fatal, aber wahr: Die tiefsitzenden seelischen Verletzungen und schlechten Eigenschaften kommen erst dann voll zur Auswirkung, wenn sie vom Feuer der gegengeschlechtlichen Liebe entzündet worden sind. Und je stärker die Seelen vom Feuer erfaßt wurden, desto mehr wurden sie aufgeweicht, und desto tiefere Schichten des Unterbewußtseins kommen in der Folge zum Vorschein und zum Tragen. Da ist dann gegenseitiger Beistand und gegenseitiges Ertragen sehr gefragt, damit die Liebe erhalten werden und die seelische Arbeit weitergehen kann. Ohne gegenseitige Hilfe würde man sich großes Leid antun.

Der Weg des gemeinsamen Werdens, des Kampfes um jene Liebe, die in der Vision gezeigt wurde, ist kein leichter Weg. Er ist jedoch meiner Erfahrung nach der einzige, der bleibende Früchte bringt. Es sollte in dieser Lernzeit der Wille von beiden Partnern fest auf dieses Ziel gerichtet sein und auch bleiben, und sie sollten nicht davon ablassen, diesen Weg bis zur Vollendung ihrer Liebe weiterzugehen; auch dann, wenn die auftauchenden Hindernisse unüberwindbar erscheinen, so daß man schon fast an sich selbst oder am anderen verzweifeln könnte.

Beide sollten den Glauben daran nicht verlieren, daß tief im eigenen Inneren und so auch im Herzen des Partners der Urfunke der wahrhaftigen Liebe wohnt, der aber noch von den selbstsüchtigen Eigenschaften und den seelischen Verletzungen überlagert ist, die man im Grunde selbst verursacht hat. Daran sollte man sich speziell dann immer wieder erinnern, wenn man nach einer gröberen Auseinandersetzung erschöpft in der Ecke seiner Seele liegt und nicht mehr daran glauben kann, daß man sich je wieder erheben und einander je wieder nahe kommen bzw. verstehen kann. Ist man jedoch nach so einem Sturz bereit, jeweils die eigenen Fehler einzusehen und daran zu arbeiten, und kann man auch dem Partner seine Fehler vergeben, die er noch machen mußte, weil er sie noch nicht überwinden konnte, so geht man gestärkt aus der scheinbaren Niederlage wieder hervor. Es konnte ein kleines Stück wahrhaftiger Liebe im Sinne der geistigen Wiedergeburt errungen werden.

Es bedarf natürlich eines festen Glaubens, daß eingekapselt im Partner die Vollkommenheit liegt, die nur darauf wartet, durch die selbstlose, uneigennützige und gebende Liebe erweckt zu werden. Nur aus uns selbst heraus, ohne das geoffenbarte Wort GOTTES, würden wir das alles nicht wissen. Gott sei Dank gibt es die göttlichen Offenbarungen, aus welchen wir entnehmen können, daß dieser Ur-Liebesfunke nicht nur in uns wohnt, sondern daß er auch unvernichtbar ist. Er bleibt auch dann unser innerstes Leben, wenn wir einst die morsch gewordene materielle Hülle ablegen müssen. Wohl denen, die es erkannt haben, daß es Ziel und Zweck des Erdenlebens ist, die Liebe zu Gott und den Menschen wieder zu erringen, damit dieser Ur-Lebensfunke wieder zu unserer Identität werden kann.

Was aber sind die Eigenschaften unserer Ur-Individualität? Es sind die Sanftmut, Langmut, die rechte freie Demut (nicht Unterwürfigkeit), uneigennützige Liebe, Barmherzigkeit, Geduld (geduldiges Ertragen der Mißhelligkeiten des irdischen Lebens), Treue, freiwilliger Gehorsam der göttlichen Liebe gegenüber (das Horchen auf die wahre Liebe und das Tun danach).

Arbeiten also beide Partner beharrlich an sich im Sinne der göttlichen Liebe, so werden immer tiefere Schönheiten erkennbar, und man kommt der anfänglich erlebten großen Liebe immer näher. Das ist dann der Lohn für die seelische Leistung, die man freiwillig auf sich genommen hat. Versäumt man es jedoch, diese äußerst wichtige Lebenstätigkeit anzugehen ‒ weil entweder das Wissen darüber fehlt oder weil man sich keine Zeit dazu nimmt oder man diese Arbeit aus Angst vor der Berührung der alten Wunden meidet oder aus Trägheit für die Veredelung der Seele nichts tun will oder der Stolz es ablehnt, seine eigenen Fehler zu erkennen ‒, kommt es sicher aus der ungezügelten Selbstsucht heraus irgendwann einmal zu einem Höhepunkt der Streitigkeiten, wo man dann nur mehr eines im Sinn hat, nämlich sich so bald wie möglich vom Partner zu trennen.


aus: UR - Das wahre Ziel Nr. 36, Anita-Wolf-Freundeskreis, Stuttgart