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Abschied von einem geliebten Menschen zu nehmen ist immer eine schmerzliche Sache. Das gilt für jeden, der einen Verlust erleidet. Doch es gibt gravierende Unterschiede in der Art und Weise der Bearbeitung und schließlich der Bewälti­gung des Geschehens. Das wiederum hängt da­von ab, ob über den Glauben hin­aus auch das Wissen darüber vorhanden ist und gelebt wird, daß es keinen Tod im Sinne von „jetzt ist alles aus“ gibt. Wer mit Gott durch seinen Tag geht, Ihn als die unendliche Liebe erkannt hat und bestrebt ist, Seinem Gesetz zu dienen, der baut durch die mit Ihm gemachten Erfahrungen „zwangsläufig“ ein Ver­trauen auf, das sich in den schweren Stunden eines Abschieds als ein nicht zu er­schütterndes Fundament erweist. Er stellt sich auch schon zu Lebzeiten den von so vielen Menschen mit einem Tabu belegten Fragen, die mit dem so­genannten Tod zusammenhängen; und macht sich damit vielleicht auch frei von den Engen und Zwängen so mancher Tradition. Und so kommt es zu Abschiedsfeiern, bei denen eine ganz andere Atmosphäre herrscht, und die so manchen der Anwesen­den vergessen läßt, daß so etwas norma­lerweise ja als „Trauer“-Feier bezeichnet wird.

Eine solche fand vor einigen Wochen statt, und wir wollen versuchen, Ihnen mit dem Abdruck der nachfolgenden Rede einen kleinen Eindruck unseres Den­kens und Lebens zu vermitteln und vielleicht auch dort, wo es sich ergibt, zum Nachdenken über das eigene Abschiednehmen anre­gen.

 

 

 

Lieber G. … liebe Angehörige,

 

euch gehört zuerst dieser Gruß, dann aber auch allen anderen Verwandten und Be­kannten, die gekom­men sind, um gemeinsam mit uns Abschied von unserer I. zu neh­men. Es ist ein äußerer Abschied, der unvermeidlich ist, weil wir als sterbliche Men­schen auf dieser Welt leben. Eine innere Verabschie­dung kann und wird es nicht ge­ben – wohl aber ein Loslassen, was etwas ganz anderes ist –, eine innere Ver­abschiedung also wird es nicht geben, weil dagegen das Wissen – nicht der Glau­be, son­dern das Wis­sen – um ein Wiedersehen steht. Und das ist wahrlich ein Grund zur Freude.

Schon diese wenigen Worte deuten darauf hin, daß dies eine etwas andere Feier werden wird als die, die man voller Trauer, Niedergeschlagenheit und oftmals auch Mutlosigkeit auf einem Friedhof gewohnt ist. Und dies wird ganz deutlich, wenn ich jetzt noch jemanden direkt anspreche, von dem die landläufi­ge Meinung annimmt und sagt, derjenige sei tot, was gleichbedeutend ist mit nicht mehr da, nicht mehr zu erreichen, im Ungewissen und Unbekannten für immer verschollen.

Ich grüße nämlich auch Dich, liebe I., und ich weiß, daß es Dir gut geht, sehr gut geht, nicht zu ver­gleichen mit den Wochen und Monaten, die hinter Dir liegen. Ich brauche Dich nicht extra einzula­den, an dieser kleinen Feier teilzunehmen, weil Du bereits da bist in Deinem neuen, lichten Kleid. Du bist da und schaust voller Lie­be auf die, die mit Dir verbunden waren und verbunden bleiben; und Du bist vol­ler Freu­de darüber, daß wir die Kraft gefunden haben, unser Wissen um das unendliche und unzerstör­bar­e Sein, das Du nun schon erfährst, auch zu leben.

Es ist immer ein Unterschied, ob man um etwas lediglich weiß, darüber redet oder schreibt, oder ob man im Ernstfall in der Lage ist, das, was im Kopf ist, auch zum Ausdruck zu bringen. Dann erweist sich erst, was ein Wissen wert ist.

Gelebtes Wissen basiert auf einem tiefen Vertrauen, auf einem Liebeverhältnis zu Gott, das nicht mit den Lippen formuliert wird, sondern aus einem offenen, kindli­chen Herzen kommt, das Gott als den Va­ter, als die bedingungslose Liebe er­kannt und vor allem erfahren hat. In diesem Punkt hat uns I. et­was vorgelebt, das seine Spuren hinterlassen hat.

Bei solchen Anlässen wie dem heutigen ist es üblich, den Verstorbenen oder die Verstorbene zum Hauptthema einer kleinen Rede zu machen. I. wollte das jedoch nicht und hat dies zum Ausdruck ge­bracht durch ihren Wunsch nach einer etwas an­deren Art der Verabschiedung. Das wird allein schon da­durch deutlich, daß ich ihr versprechen mußte, auf ihrer Beerdigung ein paar Worte zu sagen. Und an diese Zu­sage, die ich fast vergessen hatte, weil dies schon viele Jahre zurückliegt, hat sie mich vor ein paar Wochen erinnert.

I. ist zwar der Grund dafür, daß wir uns hier und heute zusammengefunden ha­ben, aber es geht in dieser Stunde nicht um einen Rückblick auf ihr irdisches Leben, um ein Revue-passieren-Lassen ihrer Lebensstationen, was ohnehin keinem etwas brin­gen würde. Es geht darum – und da wissen wir uns in völliger Übereinstimmung mit ihr –, uns bewußt zu machen, daß wir zwar „Gast auf Erden sind“, daß die Beendi­gung dieses irdischen Gast-Seins aber eigentlich nichts anderes ist als der Anfang ei­nes neuen Lebensabschnittes. Ich sage bewußt „Lebens“-Abschnittes und bringe da­mit ihr und unser Wissen zum Ausdruck, daß es nur und ausschließlich   L e b e n    gibt, und nichts anderes.

Vielleicht fragt sich so mancher unter Ihnen: „Wie kann der, wie kann man so et­was behaupten?“ Ich will diese Frage gerne in den Mittelpunkt unserer kleinen Feier stellen, und ich will und werde sie auch beantworten. Die Antwort darauf ist im übri­gen gar nicht so schwer zu finden; sie fällt im Gegenteil sehr leicht, wenn man sein Christsein ernst nimmt, wenn man das Leben und die ewig gültige Lehre des Je­sus von Nazareth ernst nimmt, und wenn man sich – was für einen Christen selbstver­ständlich sein soll­te – ehrlich darum bemüht, dem nachzufolgen, dessen Namen man im Herzen trägt: Jesus Christus, der die Liebe in Gott unserem Vater ist.

Ein kurzer Rückblick darauf, wie man in den ersten Jahrzehnten des Christentums – also vor etwa 2.000 Jahren – mit einem sogenannten „Sterbefall“ umgegangen ist, kann uns zeigen, daß etwas nicht mehr stimmt, daß etwas nicht mehr original ist, daß hier eine Veränderung zum Negativen hin eingetre­ten ist, die in ihrer Folge Tränen, Trauer, Unwissenheit und vielfach Hoffnungslosigkeit mit sich ge­bracht hat.

Die Christen damals wußten darum, daß der leibliche Körper einer unsterblichen Seele als fleischli­che Hülle dient. Sie wußten darum, daß eine Seele bei der Geburt eines Kindes die jenseitigen, feinstoff­lichen Bereiche verläßt und in einen leiblichen Körper eintritt, der ihr – in der Regel für einige Jahr­zehnte – als Wohnung dient. Die Geburt eines Kindes bedeutet deshalb nichts anderes, als daß die ihm künftig inne­wohnende Seele im nicht-materiellen Drüben ihren Abschied nimmt, um im materiel­len Hier und Jetzt einzutreffen – ein Wissen, das keine Höchstanforderungen an den Intellekt stellt, sondern von jedem verstanden werden kann. Das eigentlich auch nicht schwerer zu akzeptieren ist als eine Auf­fassung, die Gegenteiliges aussagt.

Zieht sich das Leben aus einem Körper zurück, geschieht das Umgekehrte wie bei einer Geburt: Die Seele nimmt von der Erde Abschied, um hineingeboren zu werden in Bereiche, die in aller Regel heller, lichter und freier sind. Diese werden dann ihr neues Zuhause.

Das Wissen um diese Zusammenhänge, die durch die Lehren Jesu vermittelt wur­den, war für die da­maligen Christen Anlaß, beim sogenannten Tod eines ihrer Gleich­gesinnten und Weggefährten weiß ge­kleidet und palmwedelnd durch die Straßen zu ziehen, und die Geburt des Heimgegangenen in ein neues und schöneres Leben mit Freudenliedern zu feiern. Erst der römische Brauch, die weiße Kleidung durch schwarze zu ersetzen, führte zuerst eine äußere und dann schließlich auch eine innere Wendung bei der Verarbeitung – oder besser: Nicht-Verarbeitung – des Verlustes durch einen Todesfall herbei.

Das gelebte Wissen darum, daß Gott ohne Wenn und Aber die Liebe ist, daß es bei Ihm nur Leben gibt und keinen Tod, daß alles – aber auch wirklich alles – durch Ihn wunderbar geführt wird, ging ver­loren, wird heute nur von wenigen gesucht und von den Allerwenigsten gefunden. Dabei stände es allen offen. „Stände“ ist nicht ganz richtig, es steht allen offen.

Unsere I. hat schon vor vielen Jahren angefangen, dieses Wissen zu leben, und sie hat dabei eine Ent­deckung und dann schließlich eine Erfahrung gemacht.

Zum einen: Gott ist ganz anders, als man uns das in den vielen Jahren und auf den verschiedenen Strecken unseres Lebens beigebracht hat! Man kann dies glauben oder nicht - nur ausprobieren gilt. Dann erst beginnt das, was der Herr selbst oft als das „große Abenteuer“ bezeichnet.

Zum anderen: Es entsteht eine innere Freiheit, die man früher noch nicht einmal für möglich gehal­ten hat.

Und schließlich: Aus dem Glauben an Gott wird die Liebe zu Ihm, und aus dieser Liebe erwächst zwangsläufig ein Vertrauen, das wie ein nicht einzunehmendes Boll­werk ist. Das ist dann keine Theorie mehr, das ist dann gelebtes Christentum, frei von allen Einengungen durch wen auch immer - weil Gott nämlich auch die Freiheit ist, frei aller Unsicherheiten und Unwägbarkeiten! Und weil Gott auch ein Versprechen ist! Und wenn es je ein Versprechen gab, das eingehalten wurde und wird, dann ist es das Versprechen Gottes.

Ihre älteste Enkelin hat mich vor Jahren einmal gefragt, wieso ich bei dem, was ge­schehen wird, so sicher bin, und woher ich dieses Vertrauen nehme. Die Ant­wort, ja die ganze Lösung dieses Komplexes der un­zähligen Fragen nach dem „Warum“ und der an­scheinenden Ungerechtigkeit Gottes, der seit ewi­gen Zeiten die Menschen be­schäftigt, ist so einfach:

Wer an Gott als die Liebe und Allmacht glaubt, wird Ihm auch unterstellen können, daß Sein Geset­z, das in der gesamten Schöpfung für alle Zeit wirkt, fehlerfrei ar­beitet. Wenn dem aber so ist, kann nichts geschehen, was nicht in diesem Gesetz ver­ankert ist! Und dieses Gesetz ist die Liebe. Aber dieses Gesetz hat einen „Haken“, würden wir Menschen sagen: Es arbeitet zwar fehlerfrei, aber es bezieht in seine Ent­scheidungen, seine Auswirkungen immer unseren freien, menschlichen Willen mit ein. Vor die­sem, unserem menschlichen „Dazwischenfunken“ tritt das Gesetz der Lie­be gewissermaßen zurück, das heißt unser Wollen wird ein Teil in der Abfolge des Gesche­hens.

Das richtige Vertrauen, das wir entwickeln können, wird deshalb niemals auf ein Ergebnis fixiert sein – am wenigsten auf ein Ergebnis, das unseren Wünschen und Vorstellungen entspricht –, sondern immer nur darauf, daß nur das eintreten kann und wird, was das Gesetz der göttlichen Liebe zuläßt, und was für uns bestimmt ist. Des­halb konnte die I. auch in ihrer Krankheit sagen, was nur die wenigsten können: Alles   i s t   gut! Was etwas anderes ist als das oft gebrauchte „Alles wird gut“.

Für jeden von uns stellt sich über kurz oder lang die Frage, was das Ganze denn überhaupt soll. Worin denn der Sinn des ständigen Auf und Ab in unserem Leben liegt. Eigentlich sind es immer drei Fragen, die uns damit zusammenhängend be­schäftigen: Wo komme ich her? Warum bin ich hier? Wo gehe ich hin?

Auch wenn es nicht den Anschein hat – aber die Frage „Warum bin ich hier?“ ist die schwierigste von allen. Nicht, weil man darauf nicht gleich eine Antwort geben könnte, sondern weil die Umsetzung dieser Antwort unsere Aufgabe darstellt, die uns das ganze Leben begleitet. Und nicht nur das: die uns ununterbrochen fordert. Denn wenn wir die Antwort akzeptieren, daß das Leben eine Schule darstellt, müssen wir uns den Lernaufgaben des Lebens auch stellen.

(Wir müssen dies natürlich auch dann, wenn wir das nicht akzeptieren, aber mit der Akzeptanz geht es wesentlich leichter.)

Im Mittelpunkt unserer Lernaufgaben steht das Miteinander, steht das Verhältnis zu und der Umgang mit unseren Nächsten. Sie sind es, die uns den Spiegel vorhalten, sie sind es, in denen wir uns erkennen können. Und so erweisen sich unsere Familien, Nachbarschaften und Arbeitsplätze als das interessantes­te Betätigungsfeld, weil es dort am meisten zu lernen gibt.

Neben so manchen Fehlern, die wir machen, wird aber auch viel Gutes im Laufe eines Lebens ge­schaffen; zu lieben wird gelernt, auch diejenigen – vor allem diejeni­gen – bei denen es uns auf Anhieb nicht ganz leicht fällt. Wer wachsam und bereit ist, wird dabei darauf achten, stets auf dem Laufenden zu sein. Damit meine ich: kein Herangehen an eine erkannte Aufgabe auf die lange Bank zu schieben.

Dies ist ganz besonders wichtig, wenn es darum geht, die Hand zur Versöhnung auszustrecken, um Verzeihung zu bitten und zu verzeihen, Frieden zu schließen. Und vielleicht sollten wir auch das Wort „Friedhof“ bei der Gelegenheit einmal ernst und mit anderen Augen betrachten und uns dort, wo es noch nötig ist, um       d e n   Frieden in uns und mit anderen bemühen, den die halbe Welt so gerne im Mund, aber so sel­ten im Herzen trägt.

Von unserer I. kann man sagen, daß sie auf dem Laufenden war. Daß sie nichts Schwerwiegendes mit hinübergenommen hat, daß sie mit ihrer Umwelt, mit ihren Mitmenschen und mit sich selbst im Rei­nen war. Ich wünsche uns allen, daß wir Gleiches von uns sagen können, wenn wir einmal an der Schwelle stehen, die den Übergang zu unserem jenseitigen Dasein darstellt.

Was ich meine, läßt sich leicht in einem Bild ausdrücken. Jeder weiß, daß er – symbolisch ausge­drückt – sein Haus einmal verlassen muß. Er weiß nur nicht wann, und das verführt viele dazu, den an­stehenden Umzug auf den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben. Dafür wird an dem alten Haus gezim­mert und gehämmert, gemalert und renoviert, und oftmals wird noch ein kleines oder sogar großes Ver­mögen in eine Sache investiert, die bald nichts mehr wert ist. An das Herrichten, an das Vorbereiten des neuen Zuhauses wird nicht oder kaum gedacht. Dabei wäre dies ein gescheiteres Unterfangen, denn mein neues Zuhause wird mich in dem Zustand empfangen, in den ich selbst es versetzt habe.

Das setzt natürlich voraus, daß ich an mein neues Zuhause glaube, noch besser: daß ich darum weiß. So mancher konnte und könnte sich die I. in diesem Punkt zum Vorbild nehmen.

Der eine oder andere von Ihnen, der die I. vielleicht nicht   s o   gut kannte, und der nicht   s o   viel über ihre innere Einstellung – die auch unsere Einstellung ist – wuß­te, wird sich möglicherweise fragen, woher wir die Sicherheit nehmen, so zu den­ken, zu sprechen und zu handeln, wie wir dies tun. Die Ant­wort darauf ist nicht schwer zu geben, sie zu verinnerlichen kostet schon ein wenig – ich sage einmal: nachdenkende Bereitschaft.

Gott hat keine Geheimnisse vor uns Menschen, auch wenn dies immer so darge­stellt wird. Er hat sich Seinen Menschenkindern seit jeher mitgeteilt, und die, die Ihn hören wollten, konnten und können Ihn hören. Was Er uns mitteilt, ist in und auf Sei­ner grenzenlosen Liebe gegründet, die keine Strafe, kein Verurteilen, kein göttliches Gericht und erst recht keine Verdammnis kennt. Er ist der Vater aller Seiner Kinder, gleich, wo diese sich auch befinden. Er ist der Ursprung allen Lebens. Unser aller Heimat ist bei Ihm, auch wenn wir diese aus den unterschiedlichsten Gründen für ei­ne kurze oder lange Zeit verlassen haben.

Da Er die Liebe ist, gibt Er uns Hilfen über Hilfen, damit wir möglichst bald zu Ihm zurückfinden, und zwar alle. Er ist nicht der ferne Gott, der in unbekannten Hö­hen thront, sondern Er lebt   i n   jedem und in allem. Wer sich auf Ihn einläßt, indem er sich bemüht, die Gesetze der Liebe in seinem Leben umzusetzen, der wird Ihn ver­spüren. Der wird die Unmittelbarkeit Seiner Führung erleben, die Einhül­lung in Seine Liebe, das Geborgensein in Ihm.

Das sind keine Phrasen oder leere Worte. Das ist das, was die I. gelebt und er­lebt hat, und was ihr und uns die Sicherheit und das Wissen vermittelt: Alles ist gut!

Vor wenigen Tagen konnten wir ihr noch eine große Freude bereiten mit einer Durchsage aus der geistigen Welt, die ganz speziell für sie bestimmt war. Ich weiß, daß sie ganz stolz darauf war – „stolz“ im richtig verstandenen Sinn – und die kleine Niederschrift so manchem gezeigt oder vorgelesen hat. Wer sich darüber freuen kann, daß er etwas über sein bevorstehendes irdisches Sterben erfährt, der   m u ß   fest in Gott verankert sein. Ich zitiere ein paar Zeilen daraus:

 

Diese Schwester wird von uns Engeln erwartet. Sie kommt zu uns in ein Reich der Glückseligkeit. Sie wird hier ihre Aufgabe bekom­men und herabschauen auf ihre lieben Mitmenschen und ihnen Kraft und Stärke geben für den Weg, den sie als erste zu­rückgelegt hat. Habt keine Angst. Es ist ein Weg in Liebe und Harmonie. Die Engel warten auf sie, und sie wird getragen in ih­ren letzten schwe­ren Stunden von Gott, ihrem Vater.

 

Vielleicht verstehen wir nun alle, warum in dieser Stunde die Traurigkeit fehlt, auch wenn hier und da vielleicht ein paar Tränen fließen. Es sind Tränen der Rührung und der Dankbarkeit für die Zeit, die uns für das Miteinander geschenkt wurde, auch für die Gelegenheit, bei uns und in uns selbst noch in dem einen oder anderen Punkt aufs Laufende zu kom­men.

Ich habe noch ein Gedicht gefunden, das Ephides – so nennt sich das geistige We­sen – vor vielen Jahren aus dem Jenseits durchgegeben hat. Weil es wunderbar paßt, soll es den Abschluß unserer klei­nen Feier bestimmen.

 

Denn es gibt Zeiten,

da hören wir der Unsichtbaren Füße schreiten

und fühlen ihre Hände, die uns liebend leiten,

und sind geborgen und voll Zuversicht.

Die Sorgen mögen gehen oder kommen,

ob uns geschenkt wird oder nur genommen,

an unsre letzten Tiefen rührt es nicht.

Die stehen nur im ewig jungen Hoffen

den Stimmen jener Unsichtbaren offen,

durch die der Herr uns Seinen Segen spricht.

 

Das sind die Zeiten,

da wir dem Zwange dieser Erde sacht entgleiten

und eingehn in die Freiheit ungemessner Weiten

und aufgehn in dem schattenlosen Licht!

 

Was wir noch tun können ist, I. auch künftig mit unseren liebevollen Gedanken und Gebeten zu beglei­ten und uns an sie zu erinnern als Frau, als Mutter, als Schwes­ter (im übertragenen Sinn), als Freundin, wie immer – in jedem Fall als jemanden, der voller Mut einen langen, schwierigen Kampf ge­kämpft hat, einen Kampf, der in unse­ren Augen schlußendlich doch gewonnen wurde, egal, wie andere dies sehen mögen. Was kann man Schöneres von einem Menschen sagen, als daß er – im Rückblick auf ein langes Leben – einen Sieg über sein menschliches Ich errungen hat, indem er sich Gott in Liebe an­vertraut hat.