Direkt zum Inhalt springen

Druckversion (PDF)

 

Die universelle Problemlösung: Das erste Glück heißt – liebe du!

 

Die Erde ist eine Lebensschule. Soweit die Theorie. In der Praxis bekommen wir das, was es zu lernen gibt – neben unseren Aufgaben am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft und im Freundes- und Bekanntenkreis – in allererster Linie durch unsere Familienmitglieder vorgesetzt, die uns den Spiegel vorhalten, in dem wir uns erkennen können. Und hier ist es ganz besonders unser „Gegen­über“ in Ehe und Partnerschaft, das uns fordert. Hier finden wir das interessanteste, bunteste und vielfältigste Betätigungsfeld, das wir uns nur wünschen können.

Nicht nur, weil das Thema so wichtig und unerschöpflich ist, behandeln wir es noch einmal. Franz Falmbigl hat in seinem Aufsatz „Wenn das Wissen um die Transformation fehlt“ (erschie­nen in „UR - Das wahre Ziel“ Nr. 39, Anita-Wolf-Freundeskreis, Stuttgart) einige Aspekte be­leuchtet, die es wert sind, daß man sich ein wenig damit befaßt. Auszüge aus seiner Veröffentli­chung geben wir nachfolgend wieder.

 

 

 

Leider fehlt noch allzuvielen Menschen das Wissen, wie man lieblose, seelische Triebe oder seelische Verletzungen überwinden bzw. transformieren kann. Ja, es wird oft nicht einmal gewusst, dass es über­haupt die Möglichkeit gibt, schlechte Eigenschaften in gute zu verwandeln. Es ist also weder das Werk­zeug noch die Vorgangsweise dafür bekannt, wie man schlechte, seelische Triebe so verändern kann, dass man z.B. den Partner oder auch andere Mitmenschen nicht mehr zu beleidigen und zu verletzen braucht. Viele Ehescheidungen oder partnerschaftliche Trennungen könnten verhindert werden, wenn man seelische Überwindungsarbeit leisten würde. Meiner Erkenntnis nach ist diese Arbeit eine der wichtigsten Aufgaben für das Erdenleben.

Bedauerlicherweise fehlen auch für eine erfolgreiche Überwindungsarbeit zumeist die Vorbilder; Vorbil­der, die darin schon Erfahrung erworben haben und einem mit Rat und Tat zur Seite stehen könn­ten. Ur­sprünglich war es ja der Priesterschaft zugedacht, den Menschen in seelischer Not beizustehen und ih­nen bei seelischen Problemen zu helfen. Aber gerade bei den Problemen in der Ehe bzw. der Part­nerschaft – also im intimsten Bereich des seelischen Lebens, wo die heftigsten Auseinandersetzungen statt­finden – lassen uns die Vertreter der Kirche jämmerlich im Stich. Und das deshalb, weil sie durch den Zölibat gebunden und gelähmt sind und dadurch für diesen Bereich nicht die geringsten praktischen Hil­festellungen geben können. Fromme Sprüche genügen da nicht, um wirksam helfen zu können.

 

Die Schwäche der Schuldzuweisung

Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwer es ist, aus dem ,,du bist schuld, nicht ich“ auszusteigen. Es ist heutzutage ja schon wie eine Sucht, dem anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben, auch dann, wenn ein eigenes Vergehen vorliegt. Man will womöglich von einer Eigenschuld nichts wissen. Immer ist es der andere, der daran schuld ist, dass man sich lieblos verhalten oder lieblos gehandelt hat. Man glaubt, dass man sich von jeglicher Schuld freihalten kann, sobald man sie dem anderen zuschiebt! Dass man sich damit selbst vor dem anderen schuldig macht, will man zumeist nicht erkennen.

Im materiellen Bereich wird der Schuldner ins Gefängnis geworfen, wenn er seine Schuld nicht be­zahlen will oder kann, wo er sie dann abbüßen muss. Im seelischen Bereich ist es so, dass man sich selbst gefangen nimmt, wenn man eine Lieblosigkeit, die man einem anderen angetan hat, nicht einsieht und bereut und sich entschuldigt.

Man will schuldlos sein, nicht nur vor anderen, sondern auch vor sich selbst, und vor allem auch vor Gott – wenn man an Ihn glaubt. Der Wunsch nach Schuldlosigkeit ist sicherlich ein legitimer Wunsch, wenn man ihn nicht dazu missbraucht, ein begangenes Unrecht und die daraus entstandene seelische Schuld zu verleugnen. Leider ist dies aber allzuoft der Fall, wobei der Grund dafür wohl darin liegen dürfte, dass in den tiefsten Tiefen der Seele die Angst vor Strafe sitzt. Im Letzten, so glaube ich, dürfte es unbewusst wohl die Angst vor der Strafe Gottes sein.

Aber obwohl wir schuldig geworden sind vor Gott und offenbar unbewusst Angst davor haben, dass wir von Ihm bestraft werden, geschieht das nur aus dem Unwissen heraus, dass Gott niemanden straft. Nicht Er, sondern wir sind es, die wir uns bestrafen, und zwar dann, wenn wir gegen seine Lebensgeset­ze mut­willig verstoßen.

Die meisten von uns sehen jedoch ihre Selbstbestrafung nicht ein, sondern drehen die Sache um und projizieren die eigene Schuld auf Gott oder den Teufel, eben aus der vorhin erwähnten Strafangst her­aus. Bevor man sich seinem Schöpfer zuwendet und Ihn als den Lebensgeber anerkennt und auch die ei­gene Schuld vor Ihm einsieht und bereut, gibt man eben lieber dem Lebensgeber selbst die Schuld für all die persönlichen und allgemeinen Schwierigkeiten, die einem im Erdenleben zustoßen, obwohl man sie selbst verursacht hat.

Auch Katastrophen, Krankheiten, Unglücksfälle und andere Misshelligkeiten werden Gott in die Schuhe geschoben. Und, nachdem man Ihm auch die Schuld für die eigene Unvollkommenheit gegeben hat, kann man getrost in der Vorstellung leben, dass man sich für die eigenen Taten nicht zu verantwor­ten braucht. Ist doch Er selbst nur verantwortlich dafür, dass Er uns erschaffen hat. Es wird dabei ge­leugnet, dass man als Geschöpf durch den Missbrauch des freien Willens das Böse selbst angezogen hat, und dass man in der eigenen Verblendung Sadhana gefolgt ist.

 

Die Bemühung um das Verstehen des anderen

Was man in einer Partnerschaft lernen sollte, ist das gegenseitige Eingehen aufeinander und das Verste­hen des jeweils anderen in seinen Äußerungen, auch wenn diese verletzend sind. Man sollte hineinhor­chen und sich hineinfühlen in das, was der andere hinter den Worten auszudrücken versucht. Also das, was er in seinem Verhalten aus seinem Unterbewusstsein heraus signalisiert. Diese Signale zu erfühlen und zu erkennen und darauf einzugehen, wäre ein Teil der tatsächlichen Kunst des Lebens und somit auch der Kunst des Zusammenlebens. Reagiert man hingegen auf ein verletzendes Signal des Partners sofort mit den eigenen Mustern, so weist man den anderen damit zurück.

Die meisten von uns haben in der Kindheit einen Liebesmangel erlebt und sind dadurch in ihrer seeli­schen Einstellung ewig hungrig nach Liebe. Aus diesem Mangel heraus wird dann zumeist vom Partner Liebe erwartet und oft sogar verlangt und zumeist nicht daran gedacht, dass man selbst zuerst geben sollte, damit einem auch gegeben werden kann. In der Steigerung des Verlangens wird Liebe vom Part­ner oft auch noch gefordert oder zu erpressen versucht, welche Forderung dieser jedoch nicht erfüllen kann, weil er unter Druck keine Liebe geben kann. Die Liebe braucht Freiheit, um sich verschenken zu können.

Derjenige, der schon seit seiner Kindheit in einem Liebe-Mangel steht und darunter leidet, kann sich nur dadurch davon befreien, indem er selbst Liebe zu geben lernt. Nur wenn man Liebe gibt, kommt Liebe wieder zurück. Das ist ein Gesetz. Genau das aber ist gar nicht so leicht zu erlernen, weil bei ei­nem Mangelzustand innerlich kein Impuls vorhanden ist, Liebe zu geben, und es ist auch kein Impuls vorhan­den, sich selbst zu lieben. Sich selbst auf die richtige Weise zu lieben wäre aber der erste Schritt zur Nächstenliebe, denn es heißt ja: ,,Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Erst wenn man sich selbst im gerechten Maße lieben kann, kann man Liebe weiterschenken. Wie aber soll man das anfangen, wenn einem der Selbstwert genommen oder zumindest sehr herabgesetzt wurde? Nun, das geht meiner Erfahrung nach nur über und mit Gott.

Ein Spruch von Franziskus fällt mir dazu noch ein, der da heißt: ,,Wo Liebe fehlt, gib Liebe du, dann nimmst du stets an Liebe zu.“ Das kann man natürlich nur, wenn man sich selbst in gerechter Weise schon lieben kann.

Franziskus betete auch: ,,Herr, gib, dass nicht ich geliebt werden will, sondern dass ich liebe.“ Und: ,,Herr, gib, dass nicht ich verstanden werden will, sondern dass ich verstehe.“ Diejenigen, die sich in selbstloser Liebe schon verschenken können, kennen das Geheimnis der Liebe, das darin besteht, dass immer mehr Liebe zurückkommt, je mehr man davon gibt.

Um das Kunstwerk der partnerschaftlichen Liebe gestalten zu können, braucht man gute Werkzeuge, wie da sind das Erkennen, Einsehen, Bereuen, Überwinden, das Verzeihen, Vergeben und Verstehen so­wie in Liebe dienen und helfen wollen. Diese Kunst sollte von allen erlernt werden, damit die Liebe, wo sie fehlt, wiedergewonnen und wieder hergestellt, erhalten und vervollkommnet werden kann.

 

Einer sollte den ersten Schritt tun

In der Partnerschaft sollte keiner von beiden darauf warten, bis der andere beginnt, sich zu verändern oder zuerst ihn zu lieben beginnt, sondern jeder sollte bei sich selbst anfangen ... An den gegenseitigen Forderungen sind schon viele Beziehungen gescheitert.

Nach meinen Erfahrungen und Beobachtungen sind die aufeinanderfolgenden Phasen in einer Partner­schaft (Ehe) die folgenden:

l. Phase: Man erlebt zusammen die vollkommene Liebe aus der Gnade Gottes. Es ist wie im Him­mel.

2. Phase: Der Gnadenstrahl, der von Gott als Maßstab gezeigten Liebe wird nach einiger Zeit wieder zurückgenommenen, und die alten Egos mit ihren ichsüchtigen Trieben und alten Verletzungen kommen wieder zum Vorschein. Man glaubt, sich im anderen getäuscht zu haben.

3. Phase: Einer zeigt auf die Wunden des anderen, und man verletzt oder beleidigt sich gegenseitig, und es beginnen sinnlose Kämpfe und Schuldzuweisungen. Und da zumeist keiner von den Partnern sei­ne Schuld wirklich einsehen will, verhärten sich die Fronten.

4. Phase: Der Machtkampf entbrennt zwischen den Partnern, und das Zusammenleben wird zur Höl­le. Jeder der beiden glaubt in seinem Wahn, dass er unfehlbar sei, und keiner denkt daran, seine Fehler ernsthaft anzuschauen. Sie verlieren das Vertrauen zueinander, und aus scheinbar nichtigen Anlässen entsteht plötzlich ein mörderischer Streit. In den Zwischenzeiten hält man sich, so gut es geht, noch über Wasser.

5. Phase: In dieser Phase fällt die Entscheidung. Entweder man erkennt und sieht ein, dass man selbst Verletzungen und schlechte Triebe in sich hat, die den Partner entwerten und beleidigen, oder man bleibt halsstarrig und uneinsichtig und sieht weiterhin nur im anderen die Fehler, und man denkt dabei gar nicht daran, die eigenen schlechten Eigenschaften aus Liebe zum anderen zu überwinden und löst die Beziehung auf.

6. Phase: Wenn im positiven Fall die Entscheidung für die Veränderungsarbeit und damit für die Er­haltung der Liebesbeziehung getroffen wurde, legt man langsam die Angst vor einer Selbstpreisgabe und damit vor einem Gesichtsverlust ab, vertraut dem Partner die eigenen Wunden und schlechten seeli­schen Triebe an und beginnt gemeinsam und in gegenseitiger Hilfe und im Vertrauen mit der Überwin­dungsarbeit derselben. Man kann endlich seelisch nackt voreinander stehen und die Beulen und offenen Wunden zeigen, ohne Angst davor haben zu müssen, dass einen der Partner deswegen verurteilt oder verachtet.

7. Phase: Man begreift, dass das Ringen um die Liebe, das Transformieren der schlechten in gute Ener­gien und die Anerkennung Gottes als den alleinigen Schöpfer aller Dinge die eigentliche Erdenauf­gabe ist und konzentriert gemeinsam den Willen darauf, den Willen der göttlichen Liebe zu tun. Man er­kennt die fremde babylonische Weltmacht äußerlich sowie innerlich als lebensfeindlich und wendet sich ganz dem guten, lebenserhaltenden Prinzip zu, das von Gott vertreten wird. Man hat auch begriffen, dass man sich bei der Überwindungsarbeit ohne die Hilfe Gottes nur im Kreis um sein eigenes Ego dre­hen würde und bittet Ihn immer wieder um Beistand. [Hervorhebung durch uns.] Nun geht man froh den Weg des gemeinsamen seelischen und geistigen Werdens.

Wenn die 7. Phase so eintritt wie beschrieben, dann ist der Bund zweier Seelen für das ganze Leben fest geschlossen, und alle Rückschläge werden in gegenseitiger Hilfe ertragen und überwunden. Das ge­meinsame Projekt verbindet immer wieder neu und stärkt die Beziehung und die Liebe zueinander. Man lernt sich immer tiefer kennen und die seelisch-geistigen Schätze im anderen zu bewundern und zu schätzen.

Diejenigen von uns, die, wenn sie eine Partnerschaft eingehen, schon einen festen Glauben an Gott be­sitzen, haben es natürlich leichter als diejenigen, die nur an sich selbst bzw. an ihre eigenen Program­mierungen, Vorstellungen und ihr eigenes Ego glauben und sich äußerlich nur an Menschenwissen ori­entieren. Sie werden nur schwer ihre Leidenschaften, Begierden, Wünsche, Zwänge, Ängste und Süchte er­kennen, einsehen und verwandeln wollen.

 

*

 

Zu dem Gedanken, den Franziskus mit den Worten formuliert hat ,,Herr, gib, dass nicht ich geliebt wer­den will, sondern dass ich liebe“, gibt es ein Gedicht, das – wenn auch auf et­was andere Weise – das Gebot der Nächstenliebe unter genau diesem Aspekt ausdrückt:

 

 

In mitternächtlich stiller Stunde

 

In mitternächtlich stiller Stunde

da tritt ein Engel vor mich hin,

und ich vernehm’ aus seinem Munde

der Liebe tief verborg’nen Sinn:

 

Dir scheint es so, als wird auf Erden

zur Ewigkeit ein Augenblick,

wenn du erfährst, geliebt zu werden.

Doch dies ist nur das zweite Glück. -

 

Ich höre staunend, und ich frage

den Himmelsboten, flammengleich,

daß er mir das Geheimnis sage,

wie ich das erste Glück erreich’.

 

Da senkt er seine Feuerstrahlen

in mich hinein, und er beginnt,

die Himmel in mir auszumalen,

auf daß ich eine Antwort find’.

 

Und tief in mir, ganz zart und leise,

da flüstert mir der Himmel zu

auf seine so vertraute Weise:

Das erste Glück heißt - liebe du.

 

 

(von H. D. aus „Verlasse dich auf deines Herzens leisen Klang“)