Neben unserer Fähigkeit, selbstlos und bedingungslos lieben zu können – richtiger: selbstlos und bedingungslos lieben lernen zu können –, ist unsere Freiheit wohl das höchste Gut, das uns Gott, unser Vater und Schöpfer, mitgegeben hat. Es ist tief in unserem geistigen Wesen auf immer verankert und der Grund dafür, daß wir uns – bewußt oder unbewußt – danach sehnen, die für uns unvorstellbare Freiheit eines Gotteskindes anzustreben, das heißt, sie wieder in uns zu erschließen. Bis zu welchem Grade das schon zu Lebenszeiten möglich ist, hängt von dem Freiheitsdrang eines jeden einzelnen, von seinen Möglichkeiten und seiner Entschlossenheit ab. Daß selbst die größtmöglich irdische Freiheit immer nur ein ganz schwacher Abglanz gegenüber unserer späteren "himmlischen" Freiheit sein kann, liegt auf der Hand, und ist durch die Begrenzungen unserer Materie bedingt – hat aber so manchen nicht davon abgehalten, sich dennoch mit dieser Thematik zu beschäftigen und kleine oder auch schon große Schritte in Richtung "Freiheit" zu unternehmen.
Drei Gedichte mit unterschiedlichen Betrachtungsweisen sind es, die wir nachstehend zu diesem Thema veröffentlichen – vielleicht für den einen oder anderen auch als Anregung oder gar Ansporn, über die eigene Situation nachzudenken. Und sollte die Notwendigkeit erkannt werden, hier und da vielleicht ein freiheitlicheres Verhalten als in der Vergangenheit einzuüben: Viel Erfolg dabei. Es lohnt sich!
Ein freier Mensch
Ich will unter keinen Umständen ein Allerweltsmensch sein.
Ich habe ein Recht darauf, aus dem Rahmen zu
fallen – wenn ich es kann.
Ich wünsche mir Chancen, nicht Sicherheiten.
Ich will kein ausgehaltener Bürger sein,
gedemütigt und abgestumpft, weil der Staat für mich sorgt.
Ich will dem Risiko begegnen, mich nach etwas
sehnen und es verwirklichen, Schiffbruch erleiden und Erfolg haben.
Ich lehne es ab, mir den eigenen Antrieb mit
einem Trinkgeld abkaufen zu lassen.
Lieber will ich den Schwierigkeiten des Lebens
entgegentreten, als ein gesichertes Dasein führen.
Lieber die gespannte Erregung des eigenen
Erfolgs, als dumpfe Ruhe Utopiens.
Ich will weder meine Freiheit gegen Wohltaten
hergeben, noch meine Menschenwürde gegen milde Gaben.
Ich habe gelernt, selbst für mich zu denken und
zu handeln, der Welt gerade ins Gesicht zu sehen
und zu bekennen: Dies ist mein Werk!
Das alles ist gemeint, wenn wir sagen:
Ich bin ein freier Mensch.
Albert Schweitzer
*
Ephides
Sag nie: „Ich muß!‟
Sag nie: „Ich muß!‟ – Du schmiedest eine Kette!
Nicht Sklave, frei geboren ist der Geist.
Es ist sein Rat, der deinen Weg dir weist.
Erwarte nicht, daß dich ein Mensch errette.
Du selbst hast Macht, dein Wesen zu verwandeln,
und deine Wandlung wandelt dein Geschick.
Dem Zwang entwachsend, schmiedest du dein Glück.
Das Königswort „Ich will‟ bestimmt dein Handeln.
Sag nie: „Ich muß!‟ – Das ist ein Wort für Knechte.
Der Weise will und nimmt die Pflichten an.
Es dient sich selbst, der andern dienen kann.
Sein Wollen wahrt ihm seine Königsrechte!
aus Band 3 der Erstausgabe
(Herbst 1934 bis Herbst 1936)
Selbstverlag Hella Zahrada
*
Was ich für Freiheit hielt, war eine Kette
Du hast den freien Willen mir gegeben,
die Wahl, nach eigenem Geschick zu leben,
die Mündigkeit geschenkt, zu sagen ja und nein.
Du bist die Freiheit selbst, Du kannst nur schaffen
was Dir entspricht. Und dennoch, Vater, klaffen
die größten Welten zwischen uns. Wie kann das sein?
Denn lange schon erkannte meine Seele
und ahnt mein Mensch auch, daß ich selbst mich quäle,
weil ich, statt wirklich frei zu sein, gebunden bin.
Was ich für Freiheit hielt, war eine Kette,
die mich gefangen hält an dieser Stätte,
die mir verschleiert meines Lebens wahren Sinn.
Was soll die Freiheit, wenn sie mich verleitet,
den Weg zu gehen, den die Nacht beschreitet?
Wenn sie mich blind macht, und ich irre ohne Ziel?
So eine Freiheit, kann die selig machen?
Wo bleibt das himmlisch-helle Kinderlachen,
das einstens Dir und mir und jedem so gefiel?
Ich Bin der Schöpfer der Unendlichkeiten,
und ohne Anfang sind in Mir die Zeiten
und werden auch auf immer ohne Ende sein.
Vollkommenheit auf ewig ist Mein Wesen,
und was Ich schuf, ist ebenso erlesen
und fehlerlos und willensfrei und engelrein.
Der Kinder freier Wille ist Mir Freude,
ihr rechtes Handeln Meine Augenweide,
Ich brauche keine Sklaven Mir zu Ehr’ und Preis.
Doch um der Freiheit Krone zu erringen,
um sich in höchste Höhen aufzuschwingen,
mußt du entscheiden - und dann schließt sich unser Kreis.
Du sollst und mußt den freien Willen üben,
die Dunkelheit durchforschen und sie lieben;
wenn du entschieden bist, bist du erst wirklich frei.
Nicht Angst noch Furcht soll deine Tage lähmen,
du könntest Mich verlieren, Mich vergrämen.
Du kommst, weil Ich es will, zu Mir zurück. Es sei.
aus „Verlasse dich auf deines Herzens leisen Klang‟ (Hans Dienstknecht)