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Wenn die Wortwahl des folgenden Artikels, der immerhin bereits vor 150 Jahren von Allan Kardec verfaßt wurde, hier und da auch ein bißchen antiquiert erscheinen mag, so hat der Inhalt doch absolut nichts von seiner Aktualität und Richtigkeit eingebüßt. Wir würden heute das eine oder andere sicher etwas anders ausdrücken und z. B. nicht von "mechanischen und intuitiven Medien" sprechen, sondern von "Durchsagen aus dem Jenseits oder von Channeln" und im Gegensatz dazu von "Göttlichen Offenbarungen". Aber das Aufzeigen der Mechanismen, die den unterschiedlichen Formen der Durchsagen und der Wortaufnahme zugrundeliegen, und die dem kritischen Geist eine Unterscheidung der Geister ermöglichen, sind so klar und verständlich dargestellt, daß es sich lohnt, diese Er- und Aufklärung zu lesen.



Mechanische und intuitive Medien


Das Wirken jenseitiger Intelligenzen durch irdisch-menschliche Mittelspersonen geschieht bekanntlich auf die verschiedenste Weise. Einer der Bahnbrecher des neuzeitlichen Okkultismus und Spiritismus, Allan Kardec, unterscheidet schon 1861 in seinem berühmten, noch heute sehr lesenswerten und lehrreichen »Buch der Medien« zwei Hauptarten geistiger Mittlerschaft: die mechanischen und die intuitiven Medien.

 

 

 

I.



Bei der   m e c h a n i s c h e n   Mittlerschaft wird von der aus dem Jenseits sich kundgebenden Intelligenz die Seele der irdischen Mittelsperson gänzlich ausgeschaltet, d. h. die im ordnungsmäßigen Zustande durch den Nervengeist mit den Organen des Leibes verbundene Seele wird in diesem Falle aus ihrem Verbande mit dem materiellen Leibe gelöst, und an ihrer Stelle tritt die jenseitige Intelligenz in den Verband mit dem Leibe ein. Es ist gleichsam, wie wenn der Besitzer und regelmäßige Spieler eines Musikinstruments ‒ etwa eines Klaviers oder einer Orgel ‒ seinen Platz am Instrument aufgibt und einem anderen „Spielgaste" das Instrument zur Benützung überläßt. Die fremde Intelligenz durchdringt und ergreift in diesem Falle das ganze Nerven- und Muskelsystem der Mittelsperson und arbeitet mit deren Sprach-, Schreib- oder sonstigen Organen als wie mit den eigenen.

Eine solche Art der mechanischen Mittlerschaft sehen wir besonders bei Phänomenen und Kundgaben im so genannten Trance-, zu deutsch Entrückungszustande, in welchem der Leib der Mittelsperson auch äußerlich wahrnehmbar in einer Art von Tiefschlaf ruht und die Seele wie im natürlichen Tiefschlafe den leiblichen Banden offensichtlich entrückt erscheint. — Mechanische Mitteilung findet aber auch im Wachzustande statt. Das Medium macht dann nicht den Eindruck eines Schlafenden, und dennoch ist die Seele, wenigstens teilweise, aus ihrem natürlichen Verband mit dem einen oder anderen Leibesorgan gelöst und an ihre Stelle die fremde Intelligenz einge­drungen. In solchen Fällen der nur teilweisen mechanischen Mitteilung hat die Fremdintelligenz etwa nur von den Sprachorganen oder der schreibenden oder malenden Hand usf. Besitz genommen, während im Bewußtseinszentrum des Gehirns die Seele der Mittelsperson nach wie vor ihren Platz behauptet. Infolgedessen kann denn auch die Letztere neben und während der von der Fremdintelligenz ausgeübten Sprech-, Schreib- oder Maltätigkeit alles Beliebige selbständig denken, empfinden und wollen. Zu dieser Art von Mittlern gehören die mechanischen Schreibmedien, bei denen sich die schreibende Hand wie durch eine äußerliche Macht geführt ganz mechanisch bewegt, ohne daß die zum Ausdruck kommenden Gedanken im Bewußtsein der schreibenden Person vorher in klaren Vorstellungen und Gefühlen zutage träten.

Diese mechanische Mitteilung, sei es nun als volle Trance oder als teilweise Organergreifung, ist immer ein etwas gewaltsamer und man möchte fast sagen unwürdiger Eingriff in die freie Willenssphäre der Mittlerseele. Es ist eine Art Besitzverdrängung und nicht selten geradezu eine Nötigung. Und da im geistigen Reiche unseres himmlischen Vaters im Hinblick auf das erhabene geistige Lebensvollendungsziel nichts heiliger gehalten und sorgfältiger beachtet wird als die Willensfreiheit, so dürfte diese Art der Mitteilung und Kundgebung von höheren Geistern und Engeln im allgemeinen sehr selten geübt werden. Um so lieber bedienen sich ihrer noch ungeläuterte Geister, denen noch Reste der alten materiellen Gewaltsamkeit anhaften - oder gar dämonische Geister, denen der freie Wille ihrer Mitbrüder ja überhaupt nichts gilt und die nur auf Zwang und gewaltsame Herrschaft ausgehen.

(Anmerkung: Beim Channeln, und davon ist hier die Rede, wird ein Kanal in jenseitige Welten geöffnet. Aus irgendeinem dieser feinstofflichen Bereiche spricht dann ein Wesen in den Menschen ein, der sich für diese Kräfte geöffnet hat. Gott - als auch Jesus Christus - dagegen kann man nicht channeln. Er lebt   i m   Menschen, hat also unmittelbaren Kontakt zu Seinem Kind und braucht für die Kommunikation mit Seinen Geschöpfen nicht den äußerst zweifelhaften Umweg des Channelns.)



II.



Besser wird jenes hohe Grundgesetz der Willensfreiheit gewahrt durch jene zweite Art der Mitteilung, die Allan Kardec   i n t u i t i v e   Medienschaft nennt. Hier wird die Seele der Mittelsperson mit ihrem Bewußtsein, Empfinden und Wollen nicht ausgeschaltet. Der fremde Geist wirkt in diesem Falle nicht auf die Hand, die Sprechwerkzeuge oder sonstige Bewegungsorgane der Mittelsperson, um sie zur Tätigkeit zu bringen. Er hält sie nicht, er führt sie nicht. Er wirkt vielmehr mit zartem, suggestivem, rein geistigem Einströmen von Gedanken. Gefühlen, Vorstellungen und leisesten Willensantrieben auf die empfindsame Seele des Mediums. Die Seele empfindet und gewahrt in sich diese in ihr auftauchenden Gedanken, Bilder und Gefühle, kann dieselben in sich erwägen und hat es in ihrem freien Willen liegend, ob sie die empfangenen Eindrücke sich zu eigen machen, äußern und z. B. sprechend, schreibend oder malend in Handlungen des Leibes umsetzen will. Bei dieser Mitteilungsart ist die Rolle der Seele also nicht rein duldend; die Seele ist es vielmehr, welche den Gedankenhauch des fremden Geistes  b e w u ß t   in sich aufnimmt und fortpflanzt bis zu den Organen, welche die äußeren, dem gemeinsamen Willen der Fremdintelligenz und der Seele entsprechenden Handlungen vollziehen. Und so weiß denn auch das „intuitive" Medium genau, was es schreibt oder spricht, obwohl es nicht sein ureigener Gedanke ist.

In dieser Art erging und ergeht von jeher und allezeit die Mitteilung der wahren Gottespropheten wie Moses, Jesaja, Jeremia und (in der Neuzeit) Swedenborg und Jakob Lorber, wenn durch sie der Engel Gottes oder der Herr selbst sprach. Aber auch niedere Geister können sich auf diesem Weg den Menschen nahen. Was für ein Geist im einzelnen so durch die Mittelsperson spricht oder wirkt und wieviel sich etwa aus unreiner Geisterquelle oder auch wohl aus der Seele der Mittelsperson selbst beimischt, das ist oft schwer zu erkennen und bedarf allezeit nüchternster Prüfung.

Vom himmlischen Vater oder Seinen Engeln ist eine Kundgabe nur, wenn sie durch und durch mit der reinen, göttlichen Liebe übereinstimmt. Und auch das Medium, die Mittelsperson selbst, werden wir uns anschauen müssen, ob sie frei ist von menschlicher Eitelkeit, geistiger Herrschsucht und sonstigem unlauterem Wesen und ob sie wirklich so demütig und in der reinen, selbstlosen Liebe tätig ist, daß nicht leicht etwas Niederes ihr mehr nahen kann. „Wer aus sich selbst redet, sucht seine eigene Ehre. Wer aber die Ehre Dessen sucht, der ihn gesandt hat, der ist wahrhaftig, und bei dem findet sich keine verwerfliche Selbstsucht" (Joh. 7, 18).


aus: UR - Das wahre Ziel Nr. 36, Anita-Wolf-Freundeskreis, Stuttgart