Thomas Mann von drüben: ...über die Entwicklung der Seele im Jenseits
Eva Herrmann (geb. 1902) ist gleichermaßen als Karikaturistin und Malerin bekannt wie auch als mediale Übermittlerin von Botschaften aus dem Jenseits. Sie wuchs in Deutschland auf, lebte dann in New York und wieder in Europa, kehrte aber 1939 in die USA zurück und ließ sich schließlich dort in Südkalifornien nieder, wo sie 1978 starb. Ihrem 1. Band (Von Drüben, 1976 *) ist ein postmortem Nachwort von Thomas Mann, Schriftsteller und Nobelpreisträger, angefügt, der sich – neben anderen, verstorbenen Persönlichkeiten – nach seinem Tod bei ihr „von drüben“ gemeldet hat. Einige Passagen seiner Durchgabe zitieren wir nachfolgend, weil sie einen guten Eindruck davon vermitteln, wie es „drüben“ tatsächlich aussieht, wie es weitergeht, und wo das Ziel – unser aller Ziel – liegt. Daß die Realität eines nachtodlichen Daseins nicht mit dem übereinstimmt, was die Theologie vermittelt, wird wohl die meisten, die diese Internetseite besuchen, nicht überraschen.
Thomas Mann beginnt mit den Worten: „Es ist mir eine Ehre, diesem Buch ein kurzes Nachwort folgen zu lassen. Schon lange habe ich auf eine Gelegenheit gewartet, das zu beschreiben, was man gemeinhin als ,das Ende‘ ansieht. Zwar kann ich es nun nicht mehr zu Papier bringen, doch ist es mir durchaus möglich, mein Vorhaben in Worte zu kleiden und es einer mir und meiner Familie langher befreundeten, noch auf Erden lebenden Frau telepathisch zu übermitteln ...
Als ich im Jahre 1955 starb, wußte ich nicht, was mir bevorstand. Ich war unvorbereitet auf die Vielfältigkeit des Jenseits, auf die ihm innewohnende Gesetzmäßigkeit und auf die Absolutheit, mit der sich diese Gesetzmäßigkeit behauptet. Alles dies übersteigt die Vorstellungskraft des noch auf Erden Lebenden.“
Er beschreibt dann, daß ihn die Erkenntnis überwältigte, sich in einer Schicht zu befinden, die eher düster zu nennen war. Wie kam er hierher? Was hatte er verschuldet, daß er sich in einer Art Zwischenreich befand? Ihm wurde dann aber klar, „ … daß die Anforderungen, die der anständige Mensch an sich zu stellen pflegt, offensichtlich ungenügend sind angesichts einer Ewigkeit, die nun plötzlich beredet und unverkennbar als unser Eigentliches aus uns spricht … Ich gewahrte also, daß ich gewogen und zu leicht befunden – von mir selbst gewogen und von mir selbst zu leicht befunden war, eine Erkenntnis, die sich mir schon bald erschloß.
Nach diesem ersten Schreck hatte ich keine Wahl, als mich ans Werk zu machen. Ich mußte zunächst feststellen, worin ich gefehlt hatte. Hierüber vergingen Jahre, das heißt Jahre menschlicher Berechnungsweise, denn in der hiesigen Welt ist Zeit subjektiv und mag deshalb wesentlich kürzer oder länger scheinen als auf Erden.“
Es vergingen also mehrere Jahre, in denen er um Klarheit rang und Selbsterforschung hielt, was nicht leicht war, wie er sagt. Dabei spielte der Verstand nur eine untergeordnete Rolle. Worauf es ankam waren die Bescheidenheit und mehr noch die Demut. Beide würden eine Veränderung der Seelensubstanz bewirken, wie Thomas Mann es ausdrückte. Die Wandlung könne allerdings auch schon auf Erden vollzogen werden, was den meisten Menschen jedoch unbekannt oder nicht bewußt sei.
Beim „Verstorbenen“ kommt nun das, was zuvor im Inneren war, in den Vordergrund, oder anders ausgedrückt: Das Innere ist alles, woraus man besteht, wovon man – selbst als geistig reger Mensch – zu Lebzeiten nicht die geringste Ahnung gehabt hat. Es sind dies die tieferen Seiten des Menschen, das Unterbewußte, aber weit mehr als das, was man allgemein darunter versteht: die verschiedenen Persönlichkeiten, als die man sich in vergangenen Leben inkarniert hatte, gehören dazu, aber auch und vor allem das Wissen um das wahrhaft Göttliche im Urgrund der Seele, das alle irdischen Werte in ein völlig anders Licht rückt.
Er starb zwar befriedigt von dem, was er als literarisches Werk zurückließ, mußte dann aber erkennen, daß von den Gaben, die ihm zu Lebzeiten verfügbar waren, vor lauter Schaffen nichts übrig blieb für die Weiterentwicklung seiner Seele.
„Die ersten Jahre im Jenseits“, so Mann, „widmete ich also der Veredelung meines Selbst. Dazu war es notwendig, mit einer mir völlig ungewohnten Selbstkritik vorzugehen, die mir zunächst äußerst schwerfiel ... Ich versuchte, dieser Aufgabe auszuweichen, aber ohne Erfolg. Und so sah ich mich gezwungen, etwas zu unternehmen, was mir zwar leidig war, das sich aber meinem Bewußtsein mit unerbittlicher Hartnäckigkeit immer wieder präsentierte, bis ich mich schließlich diesem, von mir selbst geforderten Purgatorium [Fegefeuer] unterzog.“
Nach etwa drei oder vier Jahren intensiver Arbeit an sich selbst hatte er eine seelische Entwicklung erreicht, die es ihm gestattete, gewissermaßen einen Sprung nach oben zu machen, wobei sich ihm ein Lichtreich von unvorstellbarer Schönheit erschloß, „ … das man mit weitaus größerer Berechtigung, als der moderne Mensch gemeinhin annimmt, den ,Himmel‘ nennen könnte ...
Meine ersten Jahre im Himmel … waren dem Erleben der Glückseligkeit gewidmet, denn die Freuden, über die man ja schon manches gehört hat, ohne sich ein rechtes Bild machen zu können, sind eben wirklich so, daß man sich ihnen ungläubig hingibt und gut und gern Jahre damit verbringen kann, sie auszukosten.“
Thomas Mann war überwältigt von den vielen Eindrücken, der Harmonie und dem Frieden, und so vergingen – „märchengleich“, wie er sagt –, viele Jahre, und er hätte es gerne bei diesem überaus wohltuenden Zustand belassen können: „Doch war da ein seltsamer Umstand, der mich veranlaßte, meine Seligkeit gewissermaßen beiseitezuschieben und mich aus freien Stücken aus dieser Glückszone zu begeben oder besser mein Augenmerk auf etwas anderes zu richten als den Genuß himmlischer Freuden.“
Er spricht dann vom Altruismus [Uneigennützigkeit, Selbstlosigkeit] als dem Gefährt, das die Seele ihrem Ziel entgegenträgt: „Altruismus ist demnach Vorbedingung zur Veredelung einer Seele, zugleich aber auch Endresultat … Mit anderen Worten: Man beginnt mit einem Minimum an Uneigennützigkeit und erreicht dadurch ein Stadium, das nicht nur ein Weiteres an Selbstlosigkeit fordert, sondern – ist dies einmal zur zweiten Natur geworden – wiederum über sich hinausweist, bis man sich schließlich der Seinsweise großer Seelen nähert, die bisweilen von einer Opferwilligkeit erfüllt sind, die dem gewöhnlich Sterblichen schier unfaßtbar ist.
Dieser Zug … nach oben war es also, der mich aus meinem genußreichen Zustand aufstöberte und Umschau halten ließ, ob es nicht etwas gäbe, dem ich mich widmen könnte. Wohl wäre es statthaft gewesen, sich meiner Seinsweise auch weiterhin zu erfreuen, doch trieb mich ein aus der Tiefe heraufdrängendes Verlangen, nach etwas zu fahnden, was mir die Gelegenheit böte, mich dienstbar zu machen.“
Demut, so erkannte er schließlich, ist der Schlüssel der uns die Tore zu höheren Welten öffnet, weil die Demut ihre eigene Belohnung in sich trägt. Und doch war es dies nicht, was ihn bewog, seine Haltung zu ändern, da ihm trotz seiner Seligkeit etwas fehlte:
„Und hierin liegt eines der großen Geheimnisse des Jenseits: Es lockt den schon Beglückten hinan und veranlaßt ihn, sich um ein Weiteres an Glück zu bemühen. Dies verleiht dem Himmel – aller langweiligen Schilderungen seiner Freuden ungeachtet – ein Element süßer Unruhe, die nun auch mich ergriff … kaum hatte ich mich, diesem inneren Drängen folgend, dem Guten als Werkzeug dargeboten, als mir eine Verheißung wurde, die mir den nun bevorstehenden Aufstieg in höhere Sphären so verlockend vor Augen führte, daß mich sofort eine unbezähmbare Sehnsucht ergriff, so schnell wie nur möglich dahin zu gelangen.“
Er bekam diese Gelegenheit, als er drüben mit seinen beiden Kindern, Klaus und Erika, zusammentraf, denen er zur Seite stehen konnte; denn es ging ihnen nicht gut. „Dies wird nur jene überraschen“, sagt er, „die nicht wissen, daß sich jeder Mensch nach seinem Tod insofern selbst richtet, als eine sowohl im All als in der Einzelseele wirksame Justiz ihm die ihm gemäße Sphäre zuweist oder beser: in die er von selbst gravitiert, einem Gesetz zufolge, das abolut ist wie ein Gesetz der Physik oder Chemie.“ Und er kommt dann noch einmal zurück auf das Stadium des Halbdunkels, aus dem er sich emporgearbeitet hatte, „ … einem Halbdunkel, das sowohl in mir herrschte als mich umgab, da ja hier der Erleuchtungsgrad einer Seele ihre Umwelt bedingt, beide entsprechen einander, sind zwei Aspekte ein und derselben Gegebenheit.“
Auf eine Besonderheit weist er deutlich hin, weil dies in unserer Welt so nicht erlebt wird:
„In unserer Welt ist das Verschleiern der Gefühle ein Ding der Unmöglichkeit, da sie sich unmittelbar äußern. Man kann sie weder hinter einem unwahren Wort noch hinter einem nichtssagenden Lächeln oder einem den wahren Sachverhalt kaschierenden Schweigen verbergen. Die manchmal geradezu brutale Ehrlichkeit, die sich hieraus ergibt, ist für den Neuankommenden zunächst eine Überraschung, bis er sich an diesen Umstand ebenso gewöhnt, wie an manches andere in unserer Welt ...
In Anbetracht dessen also, daß im Jenseits diese Täuschungsmanöver sich selbst und anderen gegenüber wegfallen, sind die Beziehungen zwischen Wesenheiten unserer Welt völlig verschieden von irdischen. Man denkt gar nicht daran – und wozu auch –, sich anders zu gebärden, als man eben ist.“
Je länger Thomas Mann sich in der jenseitigen Welt befand, umso mehr erkannte er, daß ein, wie er sagt „ungemein klarer Plan allem Geschehen zugrundliegt, und daß der kleine Ausschnitt, der sich unseren Augen dartut, keine gültigen Schlüsse zuläßt. Das einzige, was mich dieser begrenzte Auschnitt lehrte, war, worin ich gefehlt hatte.“
Die vielfältigen Hilfen des Himmels, die aufgrund seiner inneren Haltung – das heißt seiner Bereitschaft zur Erkenntnis und der Liebe zu seinen Kindern – wirksam werden konnte, machten diese Wendung zum Positiven möglich, so daß auch sie schließlich in lichtere Bereiche aufsteigen konnten.
*) Reichl-Verlag, Remagen 1993, ISBN 978-3-87667-046-1